ORFEO International – Pressetexte

Wichtige Veröffentlichungen kurz vorgestellt

September 2015

Salzburger Festspieldokumente 2015

In einer Zeit, in der man sich an die Vielzahl von immer neu ausgerufenen (weiblichen und männlichen) Geigen-Wundern gewöhnt hat, frappiert es, wie charaktervoll, erkenn- und unterscheidbar in ihrem jeweiligen Stil, in Technik, Ton und musikalischem Ansatz die großen Geiger vor wenigen Jahrzehnten noch waren. C 912 151 B
C 912 151 B
Einer der ausgeprägten Vertreter einer „Schule“, wie es sie heute nicht mehr gibt, war der große belgische Geiger – und fähige Pianist! – Arthur Grumiaux, mit geschmeidig-weichem Ton und wunderbarer Legato-Kunst. Berühmt für seinen Mozart und Bach, ist als „Visitenkarte“ für „klassische“ Programmgestaltung schon die geistvolle Gegenüberstellung von zwei klassischen Sonaten mit einem neoklassizistischen und einem impressionistischen Werk in unserem Konzertmitschnitt sprechend: früher Beethoven, Brahms, Strawinsky, Debussy – ein Klassiker und drei Varianten des „Klassizismus“, formvollendet abgerundet durch eine so virtuose wie elegante Ravel-Zugabe.

Ebenso kann man bei den Dirigenten, von heute aus betrachtet, nur wenige Jahrzehnte zurück in eine andere Welt blicken. C 910 151 B
C 910 151 B
Eine der großen, in dieser Ausprägung heute ausgestorbenen Dirigentengestalten ist sicherlich Karl Böhm, aus Graz stammend, zeitlebens als besonders repräsentativ für eine bestimmte Art österreichischen, ja Wiener Musizierens wahrgenommen und geliebt. Naturgemäß spielte dabei Salzburg als Forum eine besondere Rolle, und so freuen wir uns, nach dem allerletzten Konzert vom 30.VIII.1980 mit einem reinen Mozart-Programm (ORFEO 891 141, mit Maurizio Pollini) nun das vorletzte Konzert vom 17.VIII. aus demselben Jahr präsentieren zu können. Der 1981 Gestorbene ist hier – natürlich wieder mit den Wiener Philharmonikern – mit einem reinen Beethoven-Programm zu hören: der 2. und 7. Symphonie. Auch beim Nachhören des Tondokuments spürt man die besondere Stunde: die breiten, insistierenden, mit absolutem Ernst genommenen Tempi des Dirigenten, leidenschaftlich-spannungsvoll angenommen und ausgefüllt vom ihm völlig ergebenen Orchester – ein Liebesdienst.

Der den späten Böhm schätzende – und als Festspielleiter selbstverständlich generös – wie in anderen Fällen nicht – einladende Herbert von Karajan ist – in mittleren Jahren – mit einer seiner unbestrittenen – angesichts heutiger C 909 151 B
C 909 151 B
Moden möchte man sagen: zeitlosen – Stärken zu erleben, den zwei großen Strauss-Tondichtungen. Also sprach Zarathustra erlaubt dem Maestro, ungehemmt sein Können (und das seines Orchesters) auszuspielen. Noch mehr eine Herausforderung stellt das wirkungsvolle, dabei hochgradig, unmerklich kunstvoll gebaute Variationswerk Don Quixote dar – noch mehr als im Zarathustra auch für den Humor. Werden dort die Kritiker persifliert, so hier, wie in einem Gruß an die Moderne ante portas, mit der ganzen Fülle des Misslauts, eine Schafherde... . Die Herausforderung des Stücks haben zu und bewältigen auch die beiden Solisten Pierre Fournier und Rudolf Streng. Und es bestätigt sich wieder einmal, dass gegenüber den monadischen Studioproduktionen die (natürlich) unperfekteren live-Mitschnitte Karajans Qualitäten noch viel stärker herausbringen – sogar seinen legendären Orchesterklang.

Auch die Welt der Liederabende scheint vor nicht so vielen Jahren eine größere und als Teil des Musiklebens „selbstverständlichere“ gewesen zu sein – wenn man die allfällige C 911 151 B
C 911 151 B
Klage über den Niedergang der Gesangskunst einmal hintanstellt, die vermutlich fast so alt ist wie diese selbst. Jedenfalls ist es von heute aus sehr beeindruckend, wie völlig über jeden Zweifel erhaben und souverän der erfolgreiche Opernsänger Hermann Prey hier selbstbewusst eigenständig ein Schubert-Programm um den Schwanengesang „komponiert“ und ernsthaft und in beneidenswertem Vollbesitz vokaler Kräfte nachschöpferisch zu gestalten vermag.

Erst ein Jahr nach seinem in diesem Fall wirklich – angesichts seiner vitalen Jugendlichkeit – völlig unerwarteten und viel zu frühen Tod wird das wahre Format des großen, 84 Jahre alt gewordenen Lorin Maazel immer deutlicher. C 908 152 I
C 908 152 I
Hinter der unübersehbaren, wahrhaft virtuosen Beherrschung des Handwerks konnte leicht eine dazu fast gegenläufige Bescheidenheit der interpretatorischen Moral übersehen werden: der vielleicht am meisten überlegene Dirigent ordnete sich völlig dem jeweiligen Werk unter; presste nie einem Werk seinen subjektiven Stil oder ein sich verselbständigendes Konzept auf. So auch bei diesem beispielhaften Fidelio – im Jahr nach der Übernahme des Chefpostens an der Wiener Staatsoper. (Die ganzen Hintergründe dazu, eine Rekapitulation der Interpretations-Vorgeschichte und vieles mehr bei den anderen Veröffentlichungen werden einmal wieder von dem Zeitzeugen und selber schon lebenden Monument Gottfried Kraus lesenswert kurzweilig charaktervoll in den Beiheften dargeboten.) Dirigentisch ein „moderner“, schlanker, beweglicher Fidelio, sind vokal neben der „hochdramatischen“ Eva Marton, einem beachtlichen Männer-Ensemble mit Tom Krause, Theo Adam, Aage Haugland und Thomas Moser in einer seiner Paraderollen James King zu hören.

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