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Februar 2017

† Nicolai Gedda

Der 1925 in Stockholm als Sohn eines russischen Kantors und einer Schwedin geborene Nicolai Gedda war das, was man getrost einen „Jahrhundertsänger“ nennen darf – Nicolai Gedda
Nicolai Gedda
Foto: Archiv der Salzburger Festspiele
wie sonst vielleicht nur noch unter den eher lyrischenTenören Enrico Caruso, Luciano Pavarotti oder Placido Domingo. Aber anders als diese Kollegen – abgesehen von Domingo – war er zugleich ungemein vielseitig, in vielen Sprachen akzentfrei singend und sich dabei doch immer seiner stimmlichen und gestalterischen Grenzen bewusst. Eine einzige (auf CD dokumentierte) Vorstellung als Lohengrin hat er in Stockholm am 29. Januar 1966 gesungen, sich aber sonst nie in Richtung des dramatischen Fachs bewegt.
Stattdessen war Gedda stets ein großartiger, eleganter Stilist, nicht zuletzt im französischen Repertoire. Er besaß – wie Jürgen Kesting zu Recht bemerkte – als Sänger ein „keusches Instrument“, das zwar durchaus jungmännlich hell leuchten, aber nie eine sinnlich-erotische Stimme genannt werden konnte. Andernorts hat Gedda bemerkenswerte Studioaufnahmen veröffentlicht; etwa war er 1954 Don Narciso („Il Turco in Italia“), ein Jahr später Pinkerton („Madama Butterfly“) und 1964 Don José („Carmen“) mit Maria Callas als Fiorilla, Butterfly und Carmen; an der Seite von Elisabeth Schwarzkopf spielte er exquisit Operette ein.
Bei Orfeo International jedoch sind vor allem großartige Livemitschnitte erschienen, so nach der New Yorker Studioaufnahme im Zuge der Uraufführung am 15. Januar 1958 ein kurze Zeit später entstandener Salzburger Live-Mitschnitt von Samuel Barbers „Vanessa“ in fast derselben Besetzung, eine wunderbare „La Traviata“ aus der Wiener Staatsoper mit Ileana Cotrubas unter Josef Krips (1971), die in jeder Hinsicht als Sternstunde gelten darf, und der feine Münchner Livemitschnitt einer konzertanten Aufführung von Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ aus demselben Jahr an der Seite von Helen Donath unter Rafael Kubelik.

Nicht zu vergessen sind spätere Studioaufnahmen von Raritäten wie Christoph Willibald Glucks „Alceste“ ( 1982) an der Seite von Jessye Norman und Hector Berlioz‘ „Roméo et Juliette“ (1983) mit Brigitte Fassbaender. Aber auch der Liedersänger ist bei Orfeo prominent dokumentiert in Mitschnitten aus Salzburg (1959) und beim NRD Hannover (1964). Beide Male bietet Gedda ein ebenso mutiges wie farbiges und höchst originell gemischtes Programm: In Salzburg spannte sich der Bogen von Piccinni zu den Russen Glinka, Tschaikowsky, Rimski-Korsakow, Rachmaninow, Mussorgsky und Schostakowitsch einerseits und den Franzosen Franck, Debussy und Fauré andererseits, nicht zu vergessen die Italiener Falconieri, Respighi und Pratella. Das andere Mal reichte das Programm von Arien aus Bach-Kantaten – mit dem Flötisten Aurèle Nicolet – und rarem, höchst sensibel gesungenen Schubert über glanzvollen Strauss, Poulenc und Fauré bis zur facettenreich opalisierenden Uraufführung von Hermann Reutters „Epitaph für einen Dichter, Faulkner“ – mit dem kongenialen Komponisten am Flügel!

Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Nicolai Gedda bereits am 8. Januar 2017 im Alter vom 91 Jahren in der Nähe von Lausanne gestorben.

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