ORFEO International

Meldungen

September 2006

Astrid Varnay † 5.9.2006

Astrid Varnay
Astrid Varnay
Foto: ORFEO International
Um Astrid Varnay ranken sich Legenden wie Anekdoten. Sie war die erste Brünnhilde auf dem Grünen Hügel nach dem Zweiten Weltkrieg und behauptete sich dort allein in dieser Rolle ein volles Jahrzehnt neben ihren Kolleginnen. Es gelang ihr, nachdem sie ihre hochdramatischen Paradepartien abgelegt hatte, durch den rechtzeitig eingeleiteten Wechsel ins Charakterfach das Münchner Publikum noch ein halbes Jahrhundert nach ihrem Opern-Debüt durch bloße Bühnenpräsenz in den Bann zu ziehen. Ihre Charakterisierungskunst vermittelt sich gleichwohl auch in den vielen akustischen Mitschnitten von ihren Auftritten, bis hin zum späten Porträt der Klytämnestra in Richard Strauss’ Elektra (ORFEO C 504991 mit Leonie Rysanek, ORFEO C 599061 B mit Ursula Schröder-Feinen). Dass Herbert von Karajan nach der Salzburger Elektra von 1962, in der die Varnay noch die Titelpartie sang, das Stück mit der Begründung, er könne es auf diesem Niveau nicht mehr realisieren, aus seinem Opernrepertoire strich, verwundert beim Hören der Aufnahme wenig (ORFEO C 298922 I): Astrid Varnay verstand es wie keine Zweite, gerade in dämonischen Rollen Schwärze und Boshaftigkeit in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen (so auch als Salome, die bei ihr weniger die kindliche Verführerin als der männermordende Vamp war, ORFEO C503002 I). Astrid Varnay
Astrid Varnay
Foto: ORFEO International
Dies kann noch heute vor heimischen Lautsprechern ebenso einschüchternd wirken, wie die zurückgenommenen Momente des Auftrittsmonologs und der Erkennungsszene mit Orest unter die Haut gehen. Diese Spannbreite des Ausdrucks, vom übermütigen Jubel über die Furie hin zur mitleidsvollen Erlöserin, macht auch ihre Brünnhilde so überdimensional in der Tragik wie 1956 in Bayreuth unter Hans Knappertsbusch (ORFEO C 660513 Y). Mit Astrid Varnay verliert die Musikwelt nicht nur ein Vorbild, sondern auch eine geschätzte und einfühlsame Pädagogin und Mentorin für viele junge Sänger/-innen, die in ihre großen Fußstapfen getreten sind.

nach oben