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November 2008

Christel Goltz in memoriam

Sie gehörte zu den ganz großen hochdramatischen Sopranistinnen der frühen Nachkriegsjahre, auch wenn ihre Aufnahmen leider nur unzureichend ihr Wagner-Repertoire widerspiegeln. So ist Christel Goltz vor allem als ausdrucksstarke Interpretin der Moderne des frühen 20. Jahrhunderts in Erinnerung, vor allem mit den zentralen Frauenfiguren im Opernschaffen von Richard Strauss – als Salome, für die sie als ausgebildete Sängerin und Tänzerin geradezu prädestiniert war, brillierte sie weltweit. Zu ihren Glanzrollen gehörte auch die Färberin in der Frau ohne Schatten desselben Komponisten, als kompletter Livemitschnitt anlässlich der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955 bei ORFEO vorliegend (C 668 053). Im selben Rahmen war Christel Goltz außerdem als Marie in Alban Bergs Wozzeck zu erleben (Ausschnitte aus beiden Opern auf C 666 083). Bereits 1950 war sie in Wien engagiert worden – nach dem Karrierebeginn in Dresden und Berlin als Zwischenstation –, um sich dort erst zwanzig Jahre und mehr als 430 Vorstellungen später von der Bühne zu verabschieden. Mit ihrer voll tönenden, lange ihr jugendliches Timbre bewahrenden Stimme, den leuchtkräftigen Spitzentönen und einer ausgezeichneten Wortverständlichkeit ist ihr Gesangsstil zeitlos „modern“, mag auch der in ihrer Generation vorherrschende portamento-Gebrauch heute nicht mehr üblich sein. So wählte sie auch Herbert von Karajan 1957 für seine Fidelio-Aufführungen bei den Salzburger Festspielen, die den Beginn seiner Ära als dortiger künstlerischer Leiter markieren sollte. Für Christel Goltz war diese Aufführung , wie auch die Wiederaufnahme im Folgejahr, Triumph und zugleich Abschied von dem Festival, wo sie ein knappes Jahrzehnt lang Erfolge gefeiert hatte – ebenfalls als Wozzeck-Marie in der Salzburger Erstaufführung unter Karl Böhm 1951, als Elettra in Mozarts Idomeneo, mit Strauss’ Vier letzten Liedern und in der Uraufführung von Rolf Liebermanns Penelope 1954, in der sie unter der Leitung von George Szell die Titelpartie verkörpert hat (ORFEO C 328 931). Zu den zahlreichen großen Dirigenten, unter deren Leitung Christel Goltz gesungen hat, gehört auch Sir Georg Solti – Carl Orffs Antigonae, wiederum mit Goltz als Protagonistin, ist dabei nur ein Dokument dieser mehrfach wiederholten Zusammenarbeit (C 407 952). Als eine bemerkenswerte Grenzgängerin zwischen Ensembletradition und Weltruhm, zwischen beeindruckender Stimmgewalt und subtiler Charakterdarstellung, wird Christel Goltz, die am 14. November 2008 im Alter von 96 Jahren verstorben ist, in der Erinnerung lebendig bleiben.

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