C 832 101 AGeht man von der ersten Fassung der mehrfach überarbeiteten Ouvertüre aus, so liegt beinahe ein Vierteljahrhundert zwischen beiden Stücken (die Symphonie gelangte nur neun Tage vor dem plötzlichen und mysteriösen Tod des Komponisten zu Uraufführung). Beiden Werken gemeinsam ist Tschaikowskys emotionsgeladener Kompositionsstil, zwischen dumpfem Niedergeschlagensein und Brüten hier und dort jähem Aufbäumen und Aufbrausen, denen Nelsons und das CBSO gleichsam in jedem Takt nachspüren.
Andriss Nelsons
Foto: Marco BorggreveDie Palette der Instrumentierung, von den schroffen Bläserakzenten und rauhen Umspielungen der Streicher in den bewegten Teilen bis hin zum regelrechten Klangrausch bei den weit ausgreifenden Kantilenen, leuchtet in satten und kontrastreichen Farben. Dass über all dem luzide Klarheit herrscht, begünstigt eine gefühlvolle, aber nie effekthascherische oder rührselige Behandlung der Motive – sei es des Liebesmotivs in „Romeo und Julia“, des Chorals im ersten oder des (Todes?)Marschs im dritten Satz der „Pathétique“. Zu Letzterem drängt in Andris Nelsons’ Augen (und in seiner Interpretation deutlich spürbar) bereits zu Beginn der Symphonie ein durchgehender Pulsschlag, die Einsicht Tschaikowskys in sein unausweichliches Schicksal. Dieses ist Nelsons nicht gleichgültig, denn über die Schönheiten der Musik des Komponisten hinaus sind ihm dessen aufrichtige und tief persönliche Botschaften – ob euphorisch, kämpferisch oder resignativ –, sowohl in der Ouvertüre als auch in der Symphonie, ein zentrales Anliegen. Und in der Tat wirkt Tschaikowsky mit dem CBSO unter Andris Nelsons in Leidenschaftlichkeit und Melancholie so mitreißend, dass man beim Zuhören allen eventuell mitgebrachten Vorbehalten zum Trotz nur tief beeindruckt und ergriffen mitfühlen kann.