Lucia Popp
Foto: Tanja NiemannMit diesen Trümpfen konnte Lucia Popp dem Publikum der Münchner Opernfestspiele auch 1984 ein Programm präsentieren, das weniger bekannte Lieder von bekannten Komponisten zu einem musikalisch farbprächtigen, stimmigen Ganzen (an)mischte. Nun lässt sich im Live-Mitschnitt aus dem intimen Rokoko-Saal des Cuvilliés-Theaters nacherleben, wie es Lucia Popp, gemeinsam mit Irwin Gage als dem (bereits damals) qualitativ nicht zurückstehenden, doch sich ebenso wenig in den Vordergrund spielenden Mann am Flügel, gleich zu Beginn verstand – mit Schubert-Liedern nach Friedrich von Schlegel und einer kleinen Liedauswahl nach Texten verschiedener Dichter –, die Hörerschaft dermaßen in den Bann zu ziehen, dass die folgende Gruppe von Schönbergs frühen Liedern op. 2 genauso konsequent wie selbstverständlich anmutet.
C 789 101 BIn Strauss’ Liedern der Ophelia deutet sich auch Popps außergewöhnliche Qualität an, in knapper zeitlicher Ausdehnung eine Theaterfigur plastisch und präzise zu umreißen – wiewohl mit rein musikalischen, sängerischen (nicht darstellerischen) Mitteln. Am populärsten und vom Publikum frenetisch gefeiert fiel das letzte Viertel dieses Liederabends aus, mit Strauss-Liedern, beispielsweise nach Texten von Dehmel und Gilm zu Rosenegg, in großartiger Steigerung hin zum „Allerseelen“ im Zugabenteil und der Rückkehr zu Schubert mit „An Silvia“, die in der Shakespeare-Nachdichtung eine weitere dramaturgische Klammer dieses durchdachten Abends deutscher Romantik und Spätromantik bot – ein großartiges Beispiel für die Kunst der zu früh verstorbenen Sängerin, ihren Bewunderern(innen) wohlüberlegte, aber nicht verkopfte, und tief empfunde, aber nicht sentimentale Gesangskunst zu bescheren.