ORFEO International – Pressetexte

Wichtige Veröffentlichungen kurz vorgestellt

April 2012

ORFEO 3 CD C 856 123 D

Nachdem Herbert von Karajan 1964 die Direktion der Wiener Staatsoper abgegeben hatte, ließ er sich wieder im Mai 1977 für ein paar Vorstellungen im Haus am Ring gewinnen. Nach einer Neueinstudierung von Verdis Il trovatore folgte nur zwei Abende später Mozarts Le nozze di Figaro, als Übernahme von den Salzburger Festspielen. C 856 123 D
C 856 123 D
Dem dortige Erfolg schloss sich in Wien aber keineswegs eine bloß routinierten Reprise an: Eine musikalisch geschlossenere Ensembleleistung als seinerzeit in Wien, wo alle Beteiligten zur Höchstform aufliefen, kann man wohl nicht erleben. José van Dam als Titelheld und Ileana Cotrubas als seine Verlobte Susanna sind ein Bilderbuchpaar mit unverwechselbaren Stimmen und charmanter Vortragskunst. Anna Tomowa-Sintow steht noch am Beginn ihrer Weltkarriere und bringt bei ihrem Staatsoperndebüt als Gräfin mitreißend zum Ausdruck, wie melancholisch und zugleich kämpferisch diese Figur angesichts ihres verlorenen Liebesglücks angelegt ist. In der kleinen Partie der Barbarina komplettiert Janet Perry die illustre Sopran-Riege, während Frederica von Stade mit schlankem Mezzo einen exemplarisch jünglingshaften Cherubino vorstellt. Den nicht nur angesichts dieser Konkurrenz aufbrausenden Schwerenöter vermag Tom Krause als Graf ebenso glaubhaft zu machen wie den zwischen persönlichen Neigungen und Standesbewusstsein schwankenden Aristokraten. In bester Buffo-Manier ergänzen Jane Berbié als perfekt zwischen komischer Alter und liebevoller Mutter chargierende Marcellina, Jules Bastin als prägnant charakterisierter Winkeladvokat Bartolo, Heinz Zednik als herrlich giftiger Intrigant Basilio und, als wahre Luxus-Besetzung für den polternden Gärtner Antonio (zwei Jahre vor seinem allzu frühen Tod), Zoltán Kelemen, der Alberich in Karajans Salzburger und Bayreuths Jahrhundert-Ring. Die allseitige Spielfreude in Jean-Pierre Ponnelles Inszenierung ist dem Rundfunkmitschnitt anzuhören, aber besonders schwebt und wirbelt über allem der Glanz und Elan von Karajans Dirigat am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper: eine zeitlos mustergültige Mozart-Interpretation, biegsam von den kleinsten Nuancen bis in die gebündelten Temperamentsausbrüche.

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