C 861 132 IDer spätere Musikdirektor der Staatsoper, Seiji Ozawa, leitete damals seine erste Neuproduktion und tat dies am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper mit einer Präzision und Impulsivität, wie man ihnen in diesem Repertoire leider viel zu selten begegnet. Auch Neil Shicoff als Titelheld sucht seinesgleichen. Individueller und glaubwürdiger, strahlkräftiger und an Zwischentönen reicher lässt sich diese Tenorpartie wohl nicht interpretieren. Ähnlich verhält es sich mit Michèle Crider, der als Elvira in der Wiener Premiere eine kaum für möglich gehaltene Balance zwischen stimmlicher Geläufigkeit und Dramatik glückte. Wenn auch nicht in Elviras Gunst, so reichten die beiden Rivalen Ernanis gleichwohl an dieses gesangliche Niveau heran. Carlos Alvarez führte als König (und „angehender“ Kaiser) Carlo seinen frischen und voll tönenden Bariton mit größter Eleganz und Kultiviertheit. Der das tragische Ende unbarmherzig besiegelnde Silva wurde von Roberto Scandiuzzi mit der gebotenen Bass-Schwärze interpretiert. Ergänzt vom Chor der Wiener Staatsoper ihre volle Wirkung entfalten unter diesen glänzenden Voraussetzungen, neben den wirkungsvollen Konfrontationen der Hauptfiguren, vor allem die großartigen Ensembles und Finali, die einen besonderen Reiz jeder Ernani-Aufführung ausmachen sollten. Eigentlich unverständlich, dass dieses Werk, nach einer Wiener Erfolgsgeschichte von mehr als zweihundert Vorstellungen von 1844 bis in die 1920er Jahre, in der Nachkriegszeit so selten auf der Bühne zu erleben ist.