ORFEO CD C 723 071 BDie parallel entstandene Studioproduktion mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester (heute: WDR Sinfonieorchester Köln) macht es dem heutigen Hörer möglich, diesen Eindruck nachzuvoll-ziehen. Überdies teilt sich akustisch der „Rausch des schöpferischen Neugestaltens“ ungebrochen mit, den besagter Rezensent in der Interpretation der 4. Symphonie von Brahms wahrnahm. Dass sich musikalische Spannung nicht allein aus Dissonanzen und ihrer Auflösung, sondern auch aus abwechselnden Momenten der Bewegung des Stillstand ergibt, macht Knappertsbusch überdeutlich, wenn er – nach teilweise befremdendem Zögern und Retardieren, nach hinkenden, schwankenden und stampfenden Auftakten zu Beginn – spätestens im dritten Satz die Kontraste in der Dynamik und der Instrumentierung voll auskostet. In der abschließenden Passacaglia werden die Variationen dann so kunstvoll in eine direkte Abfolge gebracht und wie widerstrebend aufeinander geschichtet, dass die fatalistische Schlusswendung den Eindruck vom Zusammensturz eines (gigantischen) Kartenhauses erwecken könnte. Es sind Momente wie diese, in denen sich Knappertsbusch als genuiner Architekt am Dirigentenpult erwiesen hat, lange bevor die Verfechter einer (mitunter bloß die Partitur herunterbuch-stabierenden) analytischen musikalischen Lesart dieses Terrain für sich beanspruchten. Einigen Hintersinn erhält so die (wiederum gerne primär zur Erheiterung herangezogene) überlieferte Replik Knappertsbusch, warum er nicht wie so viele Maestri auswendig dirigiere: „Ich kann Noten lesen“.