C 816 112 IFür die Protagonistin, Ileana Cotrubas, wurde der Premieren-Abend zugleich auf der (Welt-)Karriereleiter zu einem großen Schritt nach oben. Wohl kaum eine junge Sopranistin findet auf Anhieb – und noch dazu live dokumentiert – eine so überzeugende und berührende Balance zwischen der vokalen Agilität des ersten und der lyrischen Ausdruckstiefe der folgenden Opernakte. Violetta wurde in den folgenden Jahren zu einer Rolle, mit der Ileana Cotrubas nicht nur in Wien begehrt und identifiziert wurde, sondern beispielsweise auch von Londons Royal Opera House, Covent Garden, bis an die Metropolitan Opera New York. Dort wie in Wien war es Cornell MacNeil, der sie als Vater Germont zum Liebesverzicht bewegte – und das mit mächtiger, bisweilen regelrecht heldenbaritonal strömender Stimme (tatsächlich ist MacNeil nur ein Jahr nach der Wiener Premiere am selben Haus als Wagners Fliegender Holländer aufgetreten). Ein passender Kontrast zum Bühnen-Sohn Nicolai Gedda, der, innerhalb seines schier unüberschaubaren Repertoires mit vielen Paraderollen, in Alfredo vielleicht eine seiner allerbesten italienischen Tenor-Partien gefunden hat. In schönster Schlichtheit der Phrasierung präzise auf seine Partnerin abgestimmt und ohne Kraftmeierei, aber mit klaren dramatischen Akzenten und einem punktgenauen hohen C dürfte kein Wunsch offen bleiben, der für diese Figur des jugendlichen Liebhabers gehegt wird. Das übrige Ensemble, u.a. mit der jungen Edita Gruberova als Flora (!), ging genau auf den von Krips vorgegebenen, „italienisch“ biegsamen Musizierstil ein. Wenn Klassiker des Repertoires doch nur durchgehend auf diesem Niveau erneuert würden...